Autor Thema: Bezirksschornsteinfeger besteht auf Mehrwertsteuer für hoheitliche Aufgaben  (Gelesen 7856 mal)

Datko

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Zum Beitrag von A. Kleicke vom Mai 23, 2012, 15:54
unter http://www.kontra-schornsteinfeger.de/forum/schornsteinfeger-gesetzliches/umsatzsteuer-(-mehrwertsteuer-)-beim-feuerstaettenbescheid/msg819/#msg819

So, ich habe bei meinen BSF mal die Berechnung der MwSt bei Erlass des Feuerstättenbescheides reklamiert, die gerade gem. §1 UStG eben nicht anfällt. Nach geschlagenen 8 Wochen erhielt ich dann folgende Antwort: (Zitat)

"In meiner Doppelfunktion als Beliehener aber auch als Gewerbetreibender gemäß Schornsteinfegergesetz bin ich gehalten für meine hoheitlichen Tätigkeiten, Rechnungen zu stellen. Zu diesen Rechnungen gehört auch unstrittig die Mehrwertsteuer."

Ist doch klasse oder, Tenor ist also haben wir schon immer so gemacht und ist ja nicht mein Geld, sondern Ihres an das ich ran will!

A. Kleicke


Herr Kleicke hat uns das anonymisierte Antwortschreiben des "Bezirksschornsteinfegers" zur Verfügung gestellt:



« Letzte Änderung: 16.06.12, 08:05 von Datko »
Joachim Datko - Ingenieur, Physiker
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TWMueller

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Umsatzsteuer beim Feuerstättenbescheid - Urteil BFinH
« Antwort #1 am: 17.06.12, 17:23 »
Wenn sich der Schornsteinfeger auf seine "beliehene" Tätigkeit als GEWERBETREIBENDER beruft, so blendet er völlig die 2008 durch das SchfHwG eingetretene Rechtsänderung aus.

Das Instrument des FEUERSTÄTTENBESCHEIDS gab es nämlich vor dem Inkrafttreten des SchfHwG überhaupt nicht. Alle Urteile und Kommentare, die sich mit der Frage nach der Umsatzsteuerpflicht auf Schornsteinfegertätigkeiten beziehen, sind mit Vorsicht zu betrachten, ob sie VOR oder NACH der Rechtsänderung ergangen sind.

Es war ja gerade die Feststellung der EU, dass Schornsteinfeger als HANDWERKER und eben nicht als hoheitliche Stelle zu betrachten sind, die Deutschland zwang, das zuvor verteidigte strikte Berufs-, Gebiets- und Personen-Monopol aufzugeben.

Das neue Recht unterscheidet daher zwischen GEWERBLICHEN Tätigkeiten, die ab 2013 von jedem zugelassenen Handwerksbetrieb erbracht werden dürfen (Kehr, Messen, Prüfen), und HOHEITLICHEN Aufgaben, die an eine Quasi-Behörde "Kehrbezirks-Verwaltung" = "Bezirks-Schornsteinfeger" gebunden sein soll. Zu diesen HOHEITLICH GEBUNDENEN Aufgaben gehört die Feuerstättenschau und der Erlass des FEUERSTÄTTENBESCHEIDS.

Dass es sich beim FSB um einen VERWALTUNGSAKT handelt, ist mittlerweile unumstritten  (§ 35 VwVfG). Der Bezirksschornsteinfeger ist somit zwingend bei dessen Erlass als BEHÖRDE anzusehen (§ 1 (4) VwVfG). In dieser Tätigkeit als oder für eine Behörde ist der Bezirksschornsteinfeger an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 (3) GG), ihm verbleibt somit KEIN unternehmerischer Spielraum. Er muss die Vorgaben des Gesetzes und der anzuwendenden Verordnungen umsetzen. Sofern ihm ein Ermessensspielraum bleibt, unterliegt dieser der VERWALTUNGSRECHTLICHEN gerichtlichen Überprüfung.

In seiner Rolle als Behörde (die es VOR dem SchfHwG so noch nicht gab) handelt der Bezirksschornsteinfeger offensichtlich NICHT als UNTERNEHMER. Ihm verbleibt keinerlei unternehmerischer Freiraum. Er bietet KEIN Produdukt und KEINE Dienstleistung auf einem Markt an. Er VOLLZIEHT vielmehr ausschließlich als "ausführende Gewalt" behördliche Aufgaben.

In einem Urteil, in dem es auch um die Frage der Umsatzsteuerpflicht auf Leistungen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Gemeinde) geht, machte der Bundesfinanzhof Feststellungen, was als "unternehmerische" Tätigkeit anzusehen ist.
(Urteil BFinH vom 10.11.2011, V R 41/10)

Er führte u.a. unter RandNr. 13 aus, dass eine UNTERNEHMERISCHE Tätigkeit "eine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen" ist.

Noch klarer wird die Statusfrage der hoheitlichen Rolle der Bezirksschornsteinfeger durch folgende Ausführung des Bundesfinanzhofs:
"Danach gelten Staaten, Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben."

Die Bezirksschornsteinfeger sind nach § 1 (4) VwVfG beim Erlass von Verwaltungsakten (FSB) eine BEHÖRDE. Sie stellen somit eine "sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts" dar. Da keine andere Stelle einen Feuerstättenbescheid erlassen darf, treten sie zudem gegenüber KEINEM anderen Anbieter in irgend eine Form des "Wettbewerbs". Die Kosten des Feuerstättenbescheids müssen somit als hoheitliche "Gebühren" betrachtet werden, die auch der Höhe nach gesetzlich bestimmt sind. Es wird KEINE unternehmerische Leistung angeboten, es findet KEINE unternehmerische Preisbildung statt, es handelt sich summarisch NICHT um eine UNTERNEHMERISCHE Tätigkeit. Nach § 1 UStG handelt es sich folglich nicht um eine steuerbare (steuerlich zu berücksichtigende) Lieferung oder Leistung.

Soweit sich der Schornsteinfeger auf FRÜHERE Entscheidungen deutscher Gerichte bezieht, die im Ergebnis eine Umsatzsteuerpflicht für Tätigkeiten der Schornsteinfeger bejaten, und hierbei auf die Konstruktion des "beliehenen Unternehmers" abstellten, kann dem für alle HANDWERKLICHEN Tätigkeiten zugestimmt werden. Auch wenn der Gesetzgeber aus protektionistischen Gründen die Bezirksschornsteinfeger noch eine Zeit lang vor Konkurrenz schützt, können diese HANDWERKLICHEN Tätigkeiten (Kehren, Messen, Prüfen) prinzipiell auch von anderen UNTERNEHMERN erbracht werden. Dies wird ab 2013 auch praktisch der Fall sein. Um "beliehener Unternehmer" zu werden, muss man eben erst mal grundsätzlich "Unternehmer" sein.

Anders somit bei allen NEUEN, HOHEITLICHEN Aufgaben der "bevollmächtigten Bezirks-Schornsteinfeger" (nach 2008, nach dem Inkrafttreten des SchfHwG). Beim Erlass eines Verwaltungsakts (z.B. FSB) ist der Bezirks-Schornsteinfeger eine BEHÖRDE. Man könnte diese auch als "Kehrbezirks-VERWALTUNG" bezeichnen. Es gibt KEINE zivilrechtliche Vertragsgrundlage / keinen "Auftrag". Es gibt maximal eine öffentlich-rechtliche DULDUNGS-Pflicht des Bürgers. Die Tätigkeit dieser Kehrbezirks-Verwaltung in Gestalt des "Behördenleiters" namens "Bezirks-Schornsteinfeger" unterfällt weder dem zivilen Dienstvertrags-, noch Werkvertragsrecht. Er handelt vielmehr ausschließlich auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Es ist VERWALTUNGSRECHT anwendbar. Beim Erlass des Feuerstättenbescheids handelt der Bezirksschornsteinfeger NICHT als  UNTERNEHMER sondern eindeutig ALS BEHÖRDE. Die Kosten des FSB sind KEIN erwirtschafteter Ertrag, sondern eine Kostenerstattung auf gesetzlicher Grundlage, also öffentlich-rechtliche Gebühren, die NICHT der Umsatzsteuerpflicht unterfallen. (Wobei zu bestreiten ist, ob der Bund in Gestalt des BMWi überhaupt "Gebühren" für Behörden auf Landesebene bestimmen darf)

Dies wird zudem dadurch unterstrichen, dass ausstehende GEBÜHREN für HOHEITLICHE Tätigkeiten im Wege des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens beigetrieben werden sollen / können. Als umsatzsteuerpflichtige Rechnung eines Unternehmers wäre der Zivilrechtsrechtsweg (BGB / Amtsgericht) geboten. Der Staat darf nicht als Erfüllungsgehilfe eines Handwerkers auftreten und für diesen kostenfrei das Inkasso übernehmen.
« Letzte Änderung: 17.06.12, 17:28 von TWMueller »
Thomas W. Müller
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